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Dunkle Erinnerungen

Blog

[14. Februar 2021]

Ich reiße die Augen auf, als wollten sie nach Luft schnappen. Die vergangenen Stunden waren voll von merkwürdigen Träumen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Ich versichere mich, dass ich jetzt nicht mehr träume. Die pochenden Kopfschmerzen helfen dabei.

Ein Fuß will sich aus dem Bett setzen, aber der Schwindel stellt alles Kopf, noch bevor mein Körper stehen kann. Dann blitzt das Bild einer Rotkäppchen-Piccoloflasche vor meinen Augen auf. Nein, halt: von zwei Rotkäppchen-Piccoloflaschen. Und ich höre mich nach Bier fragen. Zeitlich lässt sich das mit meinem aktuellen Gehirnaktionsvermögen nicht einordnen, aber es war ganz sicher am Anfang vom Ende des gestrigen Abends.

Meine Mundwinkel verziehen sich mitleidig. Mit letzter Kraft scheitere ich am Versuch, bewusstlos zu sein. Ich seufze ins Kissen und lasse es trotzdem dunkel werden, indem ich mir die mit glänzender Viskose umhüllten allergikerfreundlichen Bambusfasern ins Gesicht drücke. Doch umso lebendiger wird die Erinnerung an mein zu lautes Lachen über etwas, das womöglich gar kein Witz war, und an meine flammende Rede über ein Thema, dessen Existenz ich erst eine Stunde nach dem ersten Satz darüber erfuhr. Die mentale Wiederbelebung meines gestrig-abendlichen Ichs bekommt mir nicht. Oder es sind die Piccolo und das Bier. Doch die Übelkeit muss sich dem Schwindel unterwerfen.

Rückblenden und Entzugserscheinungen wechseln sich jetzt damit ab, gegen meinen Frontallappen zu scheppern – jedes Mal ein Zucken, als gäb’s kein Morgen mehr. Dabei will ich gerade noch nicht mal ein Jetzt.

[Berlin, Winter 2020/21]

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