[27. Januar 2021]
Als wir unser Apartment in Port Hueneme verließen, wurde klar: Ich war an der Herausforderung gescheitert, dreieinhalb Wochen lang aus einem Handgepäckkoffer zu leben. Nun hingen Beutel mit Jimmy Choos von Beacon’s Closet aus Brooklyn, chinesischem Essen vom vorherigen Abend und einem Vorteilspack Dove-Deo-Sticks – weil es in den USA immer alles ausschließlich in Vorteilspacks gibt – am Trolleygriff herunter und mir damit im Weg. Mein 45-Liter-Volumen Handgepäck war bereits bei der Abreise aus Berlin restlos erschöpft gewesen. Worin ich gut bin: im Packen. Worin schlecht: im Platzlassen.
Der Weg zum Treffpunkt, den meine Lift-App anzeigte, war kurz. Aber er reichte aus, um die Wichtigkeit der Jimmy Choos für mich in meinem Leben ernsthaft in Frage zu stellen. Und die des Dove-Deo-Stick-Vorteilspack gleich mit.
Der Fahrer hatte Verspätung. Als er kam, öffnete er ohne auszusteigen seinen Kofferraum. Bei fehlendem Mindestlohn möchte ich wirklich niemanden dazu nötigen, mir auch noch das Gepäck ins Taxi zu hieven. Doch als sich die Kofferraumklappe auftat, schnappten auch meine Augenlider auseinander. »What the fuck!«, bleibt eine meiner liebsten Ausrufe des Erstaunens. @sichtbeton_sbtn rollte seinen Trolley ums Auto und klopfte an die Fahrerscheibe: »Are you aware that there is a semi-automatic assault rifle laying around in your trunk?«
Ich bereitete mich währenddessen spontan darauf vor, dem Fahrer den Stilettoabsatz eines der Jimmy Choos bei Bedarf in den Hals zu rammen. Zum einen waren die aus Lackleder, das lässt sich ganz mühelos reinigen. Zum anderen stellte sich nach der dreiwöchigen Reise heraus, in der ich das Paar in verschiedenen Tüten, meiner Handtasche und manchmal heimlich in @sichtbeton_sbtns Rucksack extra mitschleppte, dass es so ziemlich die unbequemsten Pfennigabsätze waren, in die ich meine Füße je gezwängt hatte. Es wäre also kein Verlust gewesen. Doch der Fahrer stieg nicht aus. Er winkte ab: »Ah, don’t mind. Just put your stuff on top of it.« Durch sein Autofenster schob sich ein Block Cannabis-Dunst.
Ein Sturmgewehr war neu für meine Sehgewohnheiten – zumindest zwischen Socken und Sport-T-Shirts. Demnach waren mir vermeintlich simple Dinge völlig unklar: Wo genau ist da eigentlich vorn? Und auf welchem der Hebel sollte ich meine Asiatische-Nudel-Box auf keinen Fall ablegen? Das war nicht der erste Moment der USA-Reise, in dem ich mir wünschte, selbst bewaffnet gewesen zu sein. Aber es war der erste, in dem ich der hässlichsten Technik, die die Menschheit je vorgebracht hat, am nächsten kam. Abgesehen von Solariumbänken, aber das ist eine andere Geschichte.
