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Bremer Couture der Siebziger

Blog

[18. März 2021]

Hosen haben sich noch nie an meinem Körper wohlgefühlt. Sie stehen in der Taille ab, sind an den Schenkeln zu eng und sowieso immer zu lang. Wenn ich sie kürzen lasse, geht der Schnitt verloren. Und wenn alles andere auch noch so abgeändert wird, dass es passt und mir steht, ist sie vermutlich zum Kleid geworden. Kein Wunder, dass die Sanduhr als begehrte Körperform erkoren wurde, lang bevor Frauen die Hosen anhatten. Mit 18 gab ich also auf: Hosen und ich, das ist gegen die Natur.

Doch zwei halbe Jahrzehnte später verliebte ich mich: in einen ärmellosen kaffeefarbenen Hosenanzug. Er erinnerte mich an Yves Saint Laurent der Siebziger, an etwas, das Janice Dickinson mal getragen haben könnte – auf einem Cover, zusammen mit einer grasgrünen Schluppenbluse aus Seide darunter.

Und mein Gefühl ergab Sinn: Der Designer des Anzugs, Jürgen Michaelsen, kommt zwar ursprünglich aus Bremen, arbeitete in den Fünfzigern aber mit Yves Saint Laurent als Assistent für Christian Dior in Paris. Dior wählte dann allerdings Saint Laurent zum Nachfolger des Hauses – und der hatte kein großes Interesse mehr an Michaelsen.

1962 eröffnete Michaelsen dann als erster Deutscher sein eigenes Couture-Haus auf der Champs-Elysées. Die Presse adelte ihn zum »Modeprinzen« und bei Sacks an der Fifth Avenue in New York fand man ihn direkt neben Dior – welch Ironie: Saint Laurent arbeitete zu dieser Zeit nicht mehr dort. Er musste Dior ebenfalls verlassen, da seine Entwürfe nicht ankamen wie erhofft. Da kam die Einberufung zum Algerienkrieg quasi wie gerufen.

Weil der kommerzielle Erfolg für Michaelsen auf Paris’ Prachtstraße aber ausblieb, ging der Bremer nach Deutschland zurück und arbeitet an seinem Durchbruch bei Karstadt – allerdings unter dem Namen Yorn, so hatte ihn wohl Dior aus Einfachheit der französischen Lautbildung heraus genannt.

Aber zurück zum ärmellosen kaffeefarbenen Hosenanzug. Der ist also mindestens so viel Dior wie er Saint Laurent ist. Und die Hose löst all meine Probleme: eine klassische Cigarette Pants – perfekt für viel Schenkel und wenig Wade. Enchantée!

[Berlin, Sommer 2019]

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