[13. November 2022]
Uns Frauen halten nachts ja die verschiedensten Fragen wach: Ist jetzt noch eine gute Zeit, um in eine Immobilie zu investieren? Ruft er nicht an, weil er tatsächlich krank ist oder ist »krank zu sein« die Umschreibung von einem aufregenden, weil neuen Tinder-Date? Und war es wirklich nur Wasser, als die Jungs aus der Klasse der Tochter sie und ihre Freundinnen damit aufzogen, auf die Sportsachen gepinkelt zu haben?
Bei mir aktuell hoch im Kurs darin, mich um den Schlaf zu bringen: Double-Bagging – zu deutsch meint das, zwei Handtaschen auf einmal zu tragen. Und ich meine nicht den Moment, wenn im Einkaufskorb beim feierabendlichen Supermarktbesuch doch mehr gelandet ist als nur Tampons und Crémant, weswegen für 20 Cent noch eine Papiertragetasche am Ende des Kassenbons auftaucht. Sondern zwei Handtaschen mit autarker Existenz, mit Absicht.
So wie es bei Chanel in der Frühjahrs-/Sommer-Kollektion 2014 zu sehen war: eine Tote-Bag, dazu eine kleine Crossbody-Bag. Oder bei Balenciagas Herbst-/Winter-Kollektion desselben Jahres: zwei Tote-Bags, eine größere und eine kleinere – selber Style, andere Farbe. Oder bei Fendi. Oder Givenchy.
Mittlerweile hat jedes Label seine Version des Double-Bagging auf den Laufsteg geschickt. Bei Ulla Johnson waren in der Kollektion für diesen Sommer sogar drei Taschen an einem Model zu sehen. Drei! Das macht meine Nächte nicht ruhiger. Dabei geht es mir nicht ums Trendbewusstsein, dafür wäre ich ja eh einige Saisons zu spät, sondern um die Notwendigkeit.
Denn ich habe eine Menge fantastischer kleiner Handtaschen, die sich um meine Schulter schmiegen, wohlig umarmt von meinem Oberarm, aber eben nicht mehr Platz bieten als für Lippenstift, Smartphone und ein paar strapazierte Kreditkarten. Vielleicht passt noch eins dieser Taschenbücher im Mini-Format mit rein, die der Diogenes-Verlag seit den 80ern rausbringt – »Die schönsten Liebesbriefe deutscher Dichter« zum Beispiel.
Jede dieser fantastischen kleinen Taschen kaufte ich mit dem Gedanken: Zum Ausgehen abends perfekt! Doch mittlerweile gibt es mehr Taschen als Abende und ich möchte mich eigentlich auch gar nicht an Tageszeiten halten, wenn es ums Ausgehen geht. Alles, was es daher notwendigerweise braucht, ist mehr Stauraum. Eine zweite Handtasche also, ganz klar.
Doch meine Versuche des Double-Bagging scheiterten bislang. Für den Balenciaga-Look ist meine Taschensammlung zu – sagen wir – eklektisch, für Fendi-Vibes sind meine kleinen Taschen nicht klein genug und für zwei Birkin-Bags müsste ich nicht nur zwei Taschen, sondern auch beide Nieren verkaufen. Crossbody-Modelle wie bei Chanel scheiden für mich kategorisch aus. Denn ein Leben mit Sicherheitsgurt-Abdrücken kann für mich kein gutes sein. Und Bauchtaschen, davon will ich gar nicht erst anfangen.
Ich versuchte es mit Vintage-Tragenetzen als erweiterndes Taschenpendant. Die Idee gefiel mir, in der Realität aber befreite sich ein selbstgeschmiertes Lachsbrot aus der Frischhaltefolie und machte es sich durch die Maschen hindurch auf meinem pinken Viskose-Kleid bequem. Dann paarte ich zwei ungleichgroße Taschen – von denen die eine jedoch so schwer war, dass ich mir nicht vorstellen konnte, auch noch die andere herumzutragen. Es folgte der Versuch, eine Clutch in einer durchsichtigen Shopper-Bag zu transportieren. Aber das empfand ich als Betrug.
Also liege ich nachts wach und frage mich, was das Geheimnis des Double-Bagging ist. Ob meine Taschen nicht kompatibel genug sind, sondern vielmehr stolze Einzelgänger. Ob ich mich überhaupt entscheiden könnte, in welche der beiden Tasche welche der mit mir herumzuschleppenden Gegenstände kämen. Und ob zwei wirklich immer besser sind als eine, in die einfach alles reinpasst.