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Silvo Lahtela: Nachtfahrten

Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag

Immer extrem zeitnah nach den Taxitouren aufgeschrieben, solange die Erinnerung noch frisch ist, atmen die zugehörigen Fahrgast-Notizen nicht nur den Geist, sondern manchmal auch den Stress des jeweiligen Augenblicks: Im absoluten Halteverbot stehend, kann es durchaus passieren, dass ein Polizist während des Schreibens an die Seitenscheibe klopft. Dass solche Bedingungen, ganz weit weg vom klassischen stillen Kämmerlein, Fokussierung auf das Wesentliche forcieren, liegt auf der Hand.

Das Wesentliche der »Nachtfahrten« sind die realen und einzigartigen Fahrgäste; ob verzweifelt oder verliebt, ob ab- oder ausgebrannt, ob sexbesessen oder geldgetrieben, ob aus Berlin-Marzahn oder aus New York City – wie ein Musiker auf eine Melodie improvisiert der Autor mit allen Mitteln unverkrampft auf all die Menschen, die ein- und wieder aussteigen. 

Logbuch eines Dichters: sensible Beobachtungen zwischen Quittungen, Rot-Phasen und Kurzstreckenfahrten.

Leseprobe:

»Nachdem er ausgestiegen ist, denke ich: ›Cool, von einem Hai gerettet!‹ Das hat was, das dürfte mehr zur Persönlichkeitsbildung beitragen als jahrelange Psychotherapie. Andererseits, und das ist ein fettes ›andererseits‹: Chrom-Vanadium- Schraubschlüssel über dem Herzen zu tragen, für den Fall, daß auf einen geschossen wird, und Wurfsterne für alle Fälle als versteckte tödliche Waffe in der Ausweishülle zu haben, ist auch als Wachmann – wir leben ja nicht in einem Kriegsgebiet – Ausdruck einer extremen Bedrohungserwartung; sodaß man wiederum sagen könnte: Auch tausend Haie können keinem die Seele heilen, wenn man sich nicht auf den dornigen und langen Weg zu sich selbst macht und den inneren Spiegel sucht. Womit man wieder bei der Psychotherapie wäre, diesmal allerdings im positiven Sinne. Davon abgesehen hat mein Fahrgast eine autarke Ausstrahlung, von echter Erfahrung gespeist, die man nirgendwo kaufen kann. Nicht nur Schönheit kommt von innen, sondern auch Power.«

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