[30. Januar 2021]
Ich hievte gerade mein zweites Knie auf die geflieste Fensterbank, als jemand ins Damen-WC hereinkam.
»Die Fenster gehen nicht auf.«
»Aber wir sind im Erdgeschoss …«
Sie öffnete eine Kabinentür. Und nach kurzem Textilgeraschel hörte ich sie pinkeln.
»So schlechtes Date?«
»Er ist Hobby-Ringer. Und Kinder zu schlagen findet er auch okay.«
»Warum sagst du ihm nicht einfach, dass du keinen Bock auf ihn hast?« Sie spülte.
Ich quetschte mich noch immer auf der schmalen, dafür aber tiefen Fensterbank in Richtung Fensterhebel. Als ich ihn erreichte, musste ich feststellen, dass sie recht hatte.
»Ich glaub, da pass ich eh nicht durch.«
Das Fenster war ein kleines Quadrat, das vom Boden aus noch recht geräumig erschien. Ich krabbelte vom schachtartigen Sims zurück und hüpfte plump runter auf die glitschigen Fliesen.
»Was ist denn so schwer daran?«
Für meine Antwort darauf reichte die Zeit nicht, in der sie sich die Hände trocknete. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und ich war wieder allein mit meinem Spiegelbild.
Was genau fiel mir daran eigentlich so schwer?
Ich zupfte meinen Rock zurecht, den BH wieder unter die Brüste und schüttelte meine Haare einmal auf. Dann kam ich mir im Spiegel ganz nah, kniff die Augen zusammen und kräuselte die Oberlippe, während ich meine Kiefermuskulatur anspannte. Das sollte sexy wirken, sah aber ziemlich lächerlich aus.
Mit meiner cremefarbenen Kalbsleder-Clutch von Rodo unterm Arm, ein Original aus den 50ern, das er als »ganz schön alt« bezeichnet hatte, steuerte ich im Stechschritt durchs Lokal auf den Ausgang zu. Draußen angekommen drehte ich mich nicht um, sondern rannte bis zur nächsten U-Bahn-Station.
Das Richtige tun kann ich auch noch nächstes Mal.
