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Verwaschene Erinnerungen

Blog

[28. Oktober 2020]

Meine Reisegarderobe für Thailands Tropen hatte ich auf Handgepäckgröße reduziert. Keineswegs wollte ich Gefahr laufen, beim Umsteigen von einem Longtail-Boot zum nächsten mit XXL-Koffer auf dem Kopf balancierend über Bord zu gehen. Ein Rucksack kam nicht infrage, weil: Rucksack kann ich nicht. Auch ein Gucci-G-Print kann das nicht kompensieren. Hier bin ich – wie bei Keilabsätzen – kategorisch. Beides sind für mich stilistische Anomalien, die ich weniger mag als die Fridays-for-Future-Kids CO2.

Mein handlicher Rollkoffer verstaute also das Nötigste: eine Capsule Collection aus Leinenteilen, die sich nicht nur herrlich bequem binden ließen, sondern untereinander auch ausgezeichnet mix-and-matchen. Ich war stolz auf mich, denn für vier Wochen Inselleben hatte ich so wenige Kleidungsstücke mit, dass ich noch nicht mal einen Handgepäckrollkoffer gebraucht hätte – aber meine Haarpflegeprodukte erhoben da Einspruch. Und nach sieben Tagen war ich nicht nur im Inselleben angekommen, sondern auch im modischen Minimalismus. Fashion-Detox bekam mir hervorragend. Bis ich meine Teile einem übertrieben betont modernen Wäscheservice anvertraute. Merke: Wenn das »most awesome dish« eines amerikanischen Ressort-Betreibers in Thailand nach Uncle-Ben’s-Fertig-Curry schmeckt, ertrage die paar Flecken im Rock einfach.

Meine Wasch-Erfahrung auf den Inseln war bis dahin so reibungslos verlaufen, dass ich dem Amerikaner voller naiver Sorglosigkeit jedes einzelne meiner Vintage-Unikate übergab, die ich bereits Monate vorher in exzessiver Recherche quer durch die digitalen Secondhand-Shops aufgespührt hatte. Auch die französische Tunika mit handgestickter Borte, die in den 70ern schon mal in Thailand gewesen sein soll und der 90er-Jahre-Wickelrock aus Naturleinen – beides hatte ich von meiner Lieblingsschneiderin aufwendig meinen peniblen und für sie daher oft haarsträubenden Bedürfnissen anpassen lassen.

Am Tag der Wäsche-Abholung warf ich noch nicht mal einen Blick in die Tüte, so sicher war ich mir. Was für ein Anfängerfehler! Im schummrigen Licht der Bambushütte erst irritierte mich ein rötlicher Schimmer auf meinem senffarbenen Baumwollträgertop, das meine Schneiderin aus einem Maxi-Dress auferstehen hatte lassen. Denselben Schimmer entdeckte ich anschließend auf der französischen Tunika, auf dem Wickelrock. Auf jedem einzelnen meiner Vintage-Unikate eben.

Bei Tageslicht betrachtet sah alles dem Sprichwort zufolge ganz anders aus: nämlich noch schlimmer. Ein rostroter Schleier lag über meiner Capsule Collection – wie bei einem misslungenen DIY-Batikversuch. Egal welchen Lichteinfall ich bemühte, es blieb ein diffuses Kolorit zwischen schlammigem Lehmton und Getrocknet-Blutrot. Über dieses Desaster hatte ich nicht nur erstmal hinwegkommen müssen, sondern die nächsten drei Wochen auch darin leben. Denn auf den meisten Inseln gab es nicht nur tagsüber keinen Strom, es gab auch keine einzige textile Konsumstätte.

Nach meiner passiv aggressiven Wutrede wollte mir der Amerikaner erst erklären, dass meine Puffärmel-Binde-Bluse aus den 50ern mit pinkem Ara-Print schuld für die Verfärbungen gewesen war. Ich fühlte mich beleidigt, denn das ursprünglich beerige Pink der Bluse und das Rostrotbraun nach der Wäsche hatten keinerlei farbliche Familienzusammengehörigkeit. Ich sagte ihm, dass sein Curry das schlechteste war, das ich je gegessen hatte und kehrte ihm in meinem jetzt zwar verwaschenen, aber immer noch dramatisch flatternden Maxikleid den Rücken. Ich hatte einen Modetod zu verarbeiten.

[Ko Bulon Le, Winter 2017/18]

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