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Oh Crap(s)!

Blog

[13. Februar 2020]

In Las Vegas kannst du bekanntlich alles haben – sogar Flamingos, mitten in der Wüste. Allerdings waren die so wenig rosarot wie die Zukunft einiger Casino-Besucher. Vielleicht lag’s am Alter, vielleicht aber auch daran, dass sie in einem Mini-Gehege im Hinterhof des gleichnamigen Hotels leben mussten. Die Flamingos meine ich.

Vom Krabben-Tisch war ich ähnlich enttäuscht: »Craps« kommt zwar von »Crabs«, ist aber die Bezeichnung für den Wurf einer Einser-Dublette, nicht für edle Krustentiere. Das fasst auch schon zusammen, was mir Wikipedia und der Craps-Kanal im Hotelzimmer beibringen konnten.

Auf dem Casino-Floor mischte sich beißender Raumerfrischerduft unter jahrzehntealten Tränen-, Schweiß- und Kippenmief. Und neben der Table-Dancerin auf ihren 17 Zentimeter hohen Acryl-Plateau-Stilettos kam ich mir plötzlich nicht nur wortwörtlich klein vor, sondern in Hinblick auf die traurig hängenden Schultern der Würfelnden am Craps-Tisch auch ziemlich fehl am Platz. Hatte hier jemand jemals Glück – in der Liebe, im Spiel oder beim Fischfang?

Die Gewinnchance bei Craps soll hoch sein. Darin waren sich zumindest Wikipedia und die Frau vom Craps-Kanal einig. Ich aber hatte keine Dollarzeichen in den Augen, sondern sah nur klebrige Jetons mit einer Patina von Flüssigem aus den frühen 80ern. Meinen olfaktorischen Ekel und das Nicht-wahr-haben-Wollen der langen Beine der Tänzerin bekamen Gesellschaft von der Interieur-Faszination meines Bartresennachbarn. Ich spiegelte mich erst im hochglanzpolierten lilafarbenen Piano-Lack und dann in seinen glasigen Augen. Sein Alkoholpegel konnte mit der Absatzhöhe der Table-Dancerin mithalten.

Ich drehte eine Runde auf dem Barhocker: Am Craps-Tisch war die Luft raus und die 17-Zentimeter-Stilettos suchten sich gerade eine neue Bühne. In den endlosen Reihen von Spielautomaten bedienten vereinzelt müde Finger die leuchtenden Knöpfe. Eine Melancholie überkam mich. Ich fühlte mich, als hätte man mich sitzen gelassen. Und kurz überlegte ich, ob 150 Dollar in Jetons es besser machen würden.

Doch dann wurde meine Talfahrt in die Wüste der Seelenlosigkeit von zwei bekannten Augen und einem noch vertrauteren Mund unterbrochen. Wie viel Elend und Geschichte doch in sieben Minuten Toillettenwartezeit passen. Ich kippte den schlecht gemischten Mimosa und bezahlte mit einem Hotel-Coupon. Vielleicht machte mich das zur Gewinnerin des Abends.

[Flamingo Las Vegas, Sommer 2019]

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