[10. Februar 2020]
Am dritten Tag in New York fiel ich die U-Bahn-Treppe der Fulton Street hoch (mein Orthopäde liegt falsch, flache Schuhe sind die gefährlichen!). Dabei rieb der bröselige Asphalt zusammen mit der reibeisenähnlichen Treppenkante gefühlt 23.000 Hautschichten meines rechten Knies ab. So viel Schürfwundenschmerz hatte ich nicht mehr erfahren, seit ich im Kindergarten das letzte Mal über meine eigenen Füße stolperte.
25 Jahre später präsentierte ich nun mit schmerzverzerrtem Gesicht dem mal mehr, mal weniger gentrifizierten Brooklyn mein dreckig-wundes Inneres. Denn damit das Knie unantastbar blieb, hatte ich meinen weißen Viskose-Midi-Rock auf der linken Seite zu einem furchtbar trendigen asymmetrischen Modell mit meiner Unterwäsche hochbinden müssen (gebe Kurse auf Anfrage).
Die Stufen unseres Brownstone-Gebäudes erklommen, folgten 31 weitere. TJ brachte dann Alkohol zum Desinfizieren und @sichtbeton_sbtn bereitete sich für den Henkerjob vor.
Verdammt, tat das weh. Ich wusste nicht, dass ich über ein solch vielfältiges englisches Fluch-Vokabular verfügte. Aber als die Poren des Küchenkrepp die einzelnen Steinchen aus der Wunde rissen, hatte ich wahrscheinlich sowas wie einen linguistischen Durchbruch. Und das in einer Lautstärke, dass ein Nachbar die Treppe hinaufeilte und fragte: „Is somebody dying in here?“ Und er lag gar nicht so falsch, fand ich: „It is for sure a near-death experience!“ Ich überlebte die Wundreinigung, aber an der Asymmetrie meines Rocks ging ich die nächsten zwei Tage beinahe zugrunde.