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Details erzählen die Geschichte

Blog

[26. September 2022]

Es sind die kleinen Dinge. Wie der Lamprom-Reißverschluss meiner neuen Handtasche – versteckt im Inneren, zugänglich nur durch zwei aufwändige Druckknopfkonstruktionen. Als Schieber hängt ein winziges sechskantiges Pendel an ihm, das so filigran daherkommt, als bräuchte es den Rest der samtenen Tasche gar nicht, als könnte es auch ganz allein ein Schmuckstück sein.

Stolz trägt es die Prägung des italienischen Reißverschluss-Herstellers: in Versalien einer serifenlosen Schriftart, die wie eine Flüstertüte an Höhe zunimmt. „Lamprom!“, hört man das kleine Pendel quasi rufen. Es erinnert an Art déco aus den 20ern. Ganz so alt ist die Tasche aber nicht.

Emanuel Ungaro verarbeitete Lamprom-Reißverschlüsse in den 60ern. Gucci auch. Und vermutlich ist diese Tasche irgendwas zwischen 50 und 70 Jahre alt. Das Devoré im Samt, also das ausgebrannte Muster vorn, der extravagante Verschluss, der ummantelte Griff – für mich schreit sie nicht nur 60er, sondern auch Cesare Piccini. Der italienische Designer entwarf ebenfalls teure Taschen zu der Zeit. Selbst ohne Logo bin ich mir ziemlich sicher, dass dieses Modell aus einer seiner Kollektionen stammt.

Nicht ganz so detailliert wie der Lamprom-Reißverschluss, aber auch so eine bedeutende Kleinigkeit dieser Tasche ist der Spiegel. Er ist klappbar, aber nicht herausnehmbar. Er ist wendbar, vergrößert aber nichts, was man nicht genauer sehen möchte.

Eine Zeit, in der Handtaschen mit fest integrierten Spiegeln en vogue waren, muss eine Zeit perfekt sitzender Lippenstifte gewesen sein. Wie oft in diesem Spiegel wohl verschmierte Kussmünder nachgezogen wurden? Nach langem Geknutsche beim dritten, vierten Vino oder heimlichen Küssen in der Mittagspause.

Ja, es sind die kleinen Dinge, die Vintage-Teile besonders machen: ein handgenähter Saum, ein expressives Etikett, ein mit Leder überzogener Knopf; alles mindestens ein Vierteljahrhundert alt. Bei dieser Tasche ist es der Lamprom-Reißverschluss. Und der Klappspiegel. Und vielleicht auch das Devoré. Sie alle erzählen von Liebe – vor allem zum Detail.

[Berlin, Sommer 2022]

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