Als Marc Jacobs seine Models im vergangenen Winter von gestriegelten Dienstmännern aus einem riesigen Zug geleiten ließ, hätte man meinen können, größer wäre vielleicht nicht mehr möglich. Doch die aktuelle Winterkollektion des französischen Modehauses Louis Vuitton schließt nahtlos daran an – modisch genial wie zeitlich. Denn hatte der britische Kreativdirektor noch in der letzten Wintersaison den Glanz um die Jahrhundertwende zitiert, bedient er sich nun dem Femme-Fatale-Image der Stummfilmzeit: pechschwarze Kurzhaarperücken, tiefbeerige Lippen und Smokey Eyes.
Die Inszenierung fand wie gewöhnlich im Cour Carré de Louvre statt und schloss damit die Pariser Fashion Week. Auf imposantes Stahl und Eisen wurde verzichtet, die Geschichte spielte diesmal auf dem Korridor – mit zahllos aneinandergereihten Türen, die nach und nach ein paar Models ausspuckten, um sie anschließend wieder zu verschlucken. »All dressed up and nowhere to go«, benannte der Designer das Dilemma des Frauenbildes, das er – irgendwo zwischen Gloria Swanson und ganz viel Hollywood – kreierte.
Der Lingerie-Look paarte sich mit maskulinen Oversize-Mänteln, deren Tartan-Muster sich zum Saumende hin in Glitzer ergossen. Unterröcke wie -kleidchen fanden neben den von Marc Jacobs selbst so heiß geliebten Pyjamas ihren Platz. Und dramatische Samtroben sorgten für den Wow-Moment vergangener Glamour-Tage. Die Längen der nächsten Wintersaison liegen bei Louis Vuitton zwischen Midi und dem Knöchel – mit Ausnahme der seidenen Unterhosen, die mit akkurat geschnittenen Blazern zum Kostüm werden. Farblich gab ein dunkles Nachtblau den Ton an, geschmeichelt von zarten Brombeertönen und pudrigen Nude-Nuancen.
Die letzte Hand voll Models führte Kate Moss an. Und bewies: Die 39-Jährige hat es immer noch drauf! In einem transparenten Spitzenkleid umrundete sie die Zuschauer – und erntete abschließend Applaus. Mit ihren nur 1,70 Metern ist sie zwar die kleinste unter den Mädchen, aber der gewaltige Supermodel-Charakter der 90er hängt jedem ihrer Schritte nach. Und auch das Bild des Vamps der 20er verkörpert Kate zweifellos – können wir uns doch bestens vorstellen, wie sie die ein oder andere Nacht mit Marc in Hotelzimmern verbrachte: So viel anzuziehen, aber nirgends hinzugehen …