Entgegen ihres schüchternen Images sind Veilchen echte Ikonen: Politisches Emblem, Grundelement der Farbenlehre und luxuriöser Vorreiter in der Parfumindustrie. Mit ihrer großen Artenvielfalt runden sie ihre Daseinsberechtigung nicht nur ab, sondern zeigen – ganz bescheiden am Wegesrand –, warum sie keineswegs „zarte Pflänzchen“ sind.
Vielleicht war es ihr Veilchenkranz, der Napoleon Bonaparte in die Knie zwang. Den trug die sechs Jahre ältere Joséphine de Beauharnais nämlich im Haar, als der damalige General sich Hals über Kopf in sie verliebte. Dieser florale Trend fand sich auch auf ihrer Hochzeit wieder: Joséphine, die eigentlich Rose hieß – das gefiel Napoleon nur nicht so gut –, ließ ihr Brautkleid mit echten Veilchen spicken. Fortan ließ Napoleon seiner Joséphine zu jedem Hochzeitstag ein Veilchenbouquet zukommen. Als nach zwölf Jahren Ehe die obligatorische Blumensendung ausblieb, konnte sich Joséphine wohl denken, dass sie mit ihrem unverbindlichen Lebensstil nicht mehr durchkam und dass das der Anfang vom Ende war. Ein Jahr später musste sie in die Scheidung einwilligen. Und obwohl die treulose Kaisergemahlin ihrem „petit caporal“ mehrfach das Herz gebrochen hatte, fand man bei seiner Beerdigung zwei Veilchenblüten, die er zu Lebzeiten von ihrem Grab gepflückt hatte, eingeschlossen in seinem Lieblingsamulett um seinen Hals. Die violetten Pflänzchen waren so nicht nur politisches Zeichen der Bonapartisten geworden, die den März 1815 als Rückkehr des „Corporal Violette“ feierten, sondern auch zum romantischen Code.
Klein, aber oho
Neben dem von Napoleon favorisierten Parma-Veilchen (Viola alba) sind vor allem das Duft- (V. odorata) und Hornveilchen (V. cornuta) bekannt. Auch die Artengruppe der Stiefmütterchen zählt zur Gattung Viola. Und trotz ihres schüchternen Images sind alle Veilchen stolze Individuen: Das Duftveilchen beispielsweise hat sich in der Parfumindustrie einen Namen gemacht. Es löste das Parma-Veilchen weitgehend ab und wurde zum essenziellen Inhalt des Trenddufts des 19. Jahrhunderts. Das filigrane Hornveilchen hingegen überzeugt mit seiner Robustheit. Arten des Stiefmütterchens erkennt man übrigens am Blütenblattstand: Hier bedeckt das breitere unterste Kronblatt, „die Stiefmutter“, teilweise die seitlichen „Töchter“ und diese wiederum die obersten „Stieftöchter“. Insgesamt gibt es 500 Veilchenarten. Davon wachsen die meisten in Nordamerika, den Anden, Australien, Tasmanien und Japan. In Deutschland sind etwa 20 Arten heimisch. Zu den häufigsten zählen das violett blühende Waldveilchen (V. silvestris), das hellbläulich-violett blühende Hundsveilchen (V. canina), das dunkelviolett blühende Duftveilchen sowie das gelb oder gelblich-weiß blühende Ackerstiefmütterchen (V. arvensis).
Pflegeleicht und vielseitig
Bis in die 1930er-Jahre hinein waren Veilchen auch beliebte Schnittblumen. Dafür wurden besonders großblütige und langstielige sowie auch gefüllte Sorten gezüchtet. Übriggeblieben ist davon nur die ‚Königin Charlotte‘. Denn nach dem zweiten Weltkrieg stellte man den Anbau ein, da sich die Produktion finanziell nicht mehr lohnte. Seither wurden insbesondere Hornveilchen und Stiefmütterchen in Gartenbeeten, Balkonkästen und Blumenampeln auf Terrassen zum Klassiker. Auch als Grabpflanze sind die beiden Veilchenarten beliebt – nicht nur weil sie schon früh im Jahr für Farbe sorgen, sondern vor allem weil sie vom Halbschatten bis zur vollen Sonneneinstrahlung alles vertragen können. Ein mit Lauberde und Kompost angereicherter Boden, der reich an Humus, gut durchlässig und feucht ist, rundet die Bedürfnisse der Veilchen ab.
Das Viola-Violett
Wer die zarten Pflanzen entsprechend versorgt, kann sich in seinem Garten über einen ganzen Veilchenteppich freuen: ein Millefleur-Design in schönstem Veilchenblau. Die Farbgebung nämlich ist, neben dem unverwechselbaren Duft, ein äußerst beeindruckendes Charakteristikum des Veilchens. So besonders, dass es eine eigene Farbe definiert: Violett bestimmt, neben Rot, ein Ende unseres Farbspektrums. In seiner äußersten Form ist es als Ultraviolett – ähnlich wie Infrarot – für den Menschen unsichtbar. Die ersten Violettnuancen, die das menschliche Auge wahrnehmen kann, werden dabei jedoch individuell unterschiedlichen Farbtönen zugeordnet – hier sieht also jeder Mensch, abhängig vom Alter und seiner Hornhautbeschaffung, einen anderen Violettton. Verantwortlich für die einzigartige Färbung der Viola sind Anthocyane: Der wasserlösliche Farbstoff ist im Zellsaft der Blüten enthalten. Und da Violett Anteile von Rot und Blau beinhaltet, entsteht abhängig von der Reaktion der Anthocyane ein bläulicher, violetter oder rötlicher Blütenfarbton. Laut dem Berliner Gärtner und Gartenschriftsteller Karl Foerster hat das reinste Veilchenblau die ‚Kaiserin Augusta‘. Heute ist diese Sorte jedoch kaum noch erhältlich. Aus ihr entstand die beliebte ‚Königin Charlotte‘ – im Blauton sehr ähnlich. Beinahe vulgär in der Farbintensität dagegen ist die ‚Baronne Alice de Rothschild‘: Mit ihrem tiefen Violett wirkt ihre Blütenoberfläche fast samtig. So ist das Veilchen nicht nur in der Pflege nachsichtig, sondern trifft ganz sicher für jeden auch den richtigen Ton.