Kleider machen Leute. Und Tische irgendwie auch. Zum perfekten Dinner gehört dann doch mehr als nur auf den Punkt Gegartes und die richtige Rebsorte. Bei Tisch wird seit Jahrhunderten erzählt, diskutiert und verhandelt – wer das in schmeichelndem Kerzenlicht über dem Familiensilber möglich macht, serviert pittoreske Momente gleich mit.
Die Manieren kamen mit den Damen an den Tisch. Als weibliche Gesellschaft im 11. Jahrhundert ganz offiziell zu den Mahlzeiten geduldet wurde, einigte man sich erstmals auf verbindliche Regeln, wie etwa das Essen gemeinsam zu beginnen, nicht mit vollem Mund zu sprechen oder nicht zu schmatzen. Auch das Besteck fand großen Anklang – allerdings vorerst bei den Frauen. Zu „weibisch“ war die Gabel der männlichen Masse, mussten ihre Vertreter immerhin schon aufrecht sitzen und das Rülpsen unterdrücken, seit sie den Tisch mit Frauen teilten. Doch im 16. Jahrhundert konnten die Italiener den Nutzen der Gabel nicht länger verleugnen: Mit ihrer Hilfe nämlich bewahrten sie die viel zu ausladende, aber stark modische Halskrause vor den klebrigen Säften reifer Früchte. Ganze drei weitere Jahrhunderte dauerte es, bis die heutige Besteckform und ihre Anwendung zum Allgemeingut wurde. Umso detailverliebter widmete man sich hingegen der Trinkkunde: Längst hatte jedes Wässerchen sein ganz eigenes Becherchen.
Florale Tischnachbarn
Frische Blumen hatten es, ähnlich wie die Frauen, anfänglich schwer, dem Tisch beizuwohnen. „Grünzeug“ galt lang als billig – und als Sparfuchs wollte sich niemand outen. Darum goss man Blumen lieber in Edelmetall, nähte sie aus Seide oder formte sie aufwendig zum Dessert aus Marzipan, Zucker oder roter Bete. Einzig im Mittelalter hatte man sich zuvor an der floralen Tischkunst versucht: Im 15. Jahrhundert wurden vor jedem Gang Blüten über dem Tisch verstreut und im Anschluss heruntergefegt – aber nur aufgrund des Aberglaubens, dadurch der sich über die Luft verbreitenden Pest zu entkommen.
Das Image war also stark belastet. Das änderte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Von da an gehörten Blumendekorationen auf Tischen endlich zum guten Ton. Wer sich keinen Hausfloristen leisten konnte, nahm dafür wenigstens ein paar Stunden im Blumenfachgeschäft des Vertrauens, um die florale Gestaltung im Eigenheim selbst in die Hand zu nehmen.
Pinterest-würdig auftafeln
Zeitgleich erlebte die Tafelkultur insgesamt einen Aufschwung und präsentiert sich seither in ihrer uns heute bekannten Form, die vor allem in sozialen Netzwerken wie Pinterest oder Instagram fotografisch festgehalten und geteilt wird. Boards wie „modern wedding | centerpieces“ begeistern aktuell mehr als 3,5 Millionen Follower mit opulenten Wildblumenlüstern oder Tafelaufsätzen aus Minikürbissen im Ombré-Design und unter Wasser gesetzten Orchideen – „Pinterest-worthy“ (zu Deutsch etwa: würdig, auf Pinterest geteilt zu werden) gilt dabei mittlerweile als erstrebenswerte Auszeichnung von besonders gelungenen Tischdekorationen.