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Läuft

Blog

[3. Februar 2020]

Santa Barbara kannte ich vor allem aus Two and a Half Men: Die Bra-Wortwitze funktionieren fabelhaft in dem kleinen Teil meines Stirnlappens, der mich Humor haben lässt. Ein bisschen wie das Sylt von Kalifornien hatte ich es mir vorgestellt – aber eben cool. Immerhin ist es ja einer der Hotspots im »greatest country on earth«. Doch es kam schlimmer; schlimmer sogar als Sylt.

Generell verstehe ich den Sinn von Stränden nicht, wenn man sich dort nicht mit ein, zwei Flaschen Wein im Sand wälzen kann. Den Amerikanern scheint es unter den fast hundertjährigen Nachwehen der Prohibition ähnlich zu gehen: Denn außer der Obdachlosen in Zelten und Sandbunkern hinter den Dünen hatte niemand Interesse am Strand nach Sonnenuntergang in »Santa Bar-Bra« (hahahaha!). Und da Amerikaner ja auch am Laufen keine große Freude haben, waren die Promenaden ebenfalls kein Ort zum Verweilen – sondern voll von Rollenden: Longboards, E-Bikes, Skates. Alle, die dort nicht schnell vorankamen, steckten auf den Straßen fest in extrabreiten Versionen extrabreiter SUVs.

Beim Nichtstun gesehen werden wollte niemand. Die Lieblingstische in den Lokalen standen entweder bei Klimaanlagentemperaturen in lauschigen Ecken oder – für alle mit Kardashian-Geld – hinter hochgezogenen Betonmauern. Flanieren konnte man, wenn man Geld ausgab: Die Starbucks-Filialen sind genau einen Venti Iced Latte voneinander entfernt, Craft-Beer-Lokale locken mit greller Finanzamtbeleuchtung und die Bänke auf den Gehwegen teilt man sich mit denen, die noch nicht mal mehr ein Zelt haben, in dem sie wohnen können. Amerika in a nutshell: Wer verweilt, verliert alles.

[Santa Barbara, Sommer 2019]

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