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Gertrude Jekyll: Die Revolutionärin der Gärten

Bunte Blumenwelt

Sie legte mehr als 400 Gärten an und schrieb 1.000 Artikel und 13 Bücher über deren Gestaltung: Gertrude Jekyll war Künstlerin und Wissenschaftlerin in einem. Ihre Art, die Welt zu sehen, revolutionierte die Pflanzkultur des 19. Jahrhunderts.

Im Kindesalter war es das Blumenflechten, das die junge Gertrude Jekyll faszinierte. Wenn ihr Kindermädchen mit ihr zum Spielen in den Green Park im Stadtzentrum von London ging, band sie leidenschaftlich gern Gänseblümchen zu langen Ketten. Obwohl es ihr eigentlich die Blüten des Löwenzahns angetan hatten. Doch als Unkraut verschrien, war es unmöglich, so etwas mit nach Hause zu bringen. Ihre eigene Liebe zur gestalterischen Kunst aber machte schon damals keine Ausnahmen, auch nicht bei Pflanzen. Die ersten handwerklichen Griffe lernte Gertrude Jekyll in der Werkstatt ihres Vaters. Er weckte ihr Interesse für Wissenschaft, Musik und Handwerkskunst. 1861, als Gertrude Jekyll 18 Jahre alt wurde, schrieb sie sich an der School of Art in South Kensington in London ein. Mit einem bereits stark ausgeprägten Talent zur Malerei studierte sie dort Botanik, Anatomie, Optik und Farbenlehre.

Lang lebe der Garten!

Nach dem Tod ihres Vaters zog Gertrude Jekyll gemeinsam mit ihrer Mutter 1876 nach Surrey, einer Grafschaft im Süden Englands. Dort lebte sie ihr Faible für Gartendesign erstmals richtig aus: Auf Munstead Wood, dem Grundstück ihrer Mutter, schuf sie ein solches botanisches Wunderwerk, dass 1880 unzählige Experten des Gartenbaus Schlange standen, um sich persönlich von ihrer Arbeit zu überzeugen. Ihre Gartenkunst war beeinflusst von der „Arts and Crafts“-Bewegung. Jede einzelne Pflanze wurde in ihren Bedürfnissen, ihrer Ausprägung und ihrer Farbe studiert, um im Zusammenspiel eine ideale Wirkung zu erreichen, die praktisch wie optisch eindrucksvoll war. Der Garten sollte für Gertrude Jekyll unvorhergesehene Blickwinkel bieten und bildhafte Überraschungen bereithalten. Damit stellte sie sich gegen den damals vorherrschenden Trend der Teppichbeete, bei dem einjährige Blütenpflanzen nach Art der französischen formalen Gärten in sorgfältig arrangierten Mustern angelegt wurden. Die freie Gartenkünstlerin pflanzte Stauden in harmonischen Farbtönen als natürlich wirkende Zusammenstellungen – und entfachte damit eine Gartenrevolution.

Für die Nachwelt

1881 versammelte Gertrude Jekyll ihr Wissen erstmals in einem eigenen Artikel über die Gestaltung von Gärten und Pflanzenverwendung. Mehr als 1.000 Texte sollten folgen. Allein im Jahr 1930, nachdem sie ihren 86. Geburtstag erlebt hatte, veröffentlichte sie 43 davon in der Fachzeitschrift „Garden Illustrated“. Sie hinterließ außerdem 13 eigene Bücher und zahlreiche Beiträge als Gastautorin. Ihr Schreibstil war so akribisch, praxisorientiert und wissenschaftlich wie ihre Gartenkunst. Und diese war so berühmt, dass sie zu ihrer Zeit über 400 Gärten kreieren durfte. Auftraggeber kamen aus ganz Europa sowie den USA. Noch im hohen Alter züchtete sie neue Pflanzen auf Munstead Wood, bevor sie 1932 ebendort starb. Ihr Begräbnis fand im benachbarten Ort Busbridge statt. Der Gartenjournalist William Robinson ließ sich, mit bereits 94 Jahren selbst gebrechlich, in einem Rollstuhl zur Beerdigung schieben, um seiner guten Freundin die letzte Ehre zu erweisen. Edwin Lutyens, mit dem Gertrude Jekyll unzählige Landschaftsprojekte gestaltet hatte und der als einer der größten britischen Architekten des 20. Jahrhunderts in die Geschichtsbücher einging, ließ „Künstlerin, Gärtnerin, Handwerkerin“ in ihren Grabstein eingravieren. Nichts hätte ihre Persönlichkeit wohl besser erfasst – außer „Revolutionärin“ vielleicht.

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